Der Weltkatalog der Spinnentiere (World Arachnid Catalog, WAC) gründet auf dem im Internet frei zugänglichen und 2014 neu aufgelegten Weltspinnenkatalog (World Spider Catalog). Unter Leitung des Naturhistorischen Museums Bern hatte er einen Standard für taxonomische Kataloge gesetzt. Mit dem Ausbau zum WAC bezieht die zugrunde liegende Datenbank erstmals Informationen zu bisher wenig berücksichtigten weiteren Ordnungen der Spinnentiere mit ein. Dank der kuratorischen Arbeit von Dr. Danilo Harms, Kurator und Sektionsleiter Arachnologie am LIB, Hamburg, und seinen Kolleginnen und Kollegen aus Perth (Australien) wird hier nun gebündelt der Grossteil der taxonomischen Literatur für Pseudoskorpione und weitere Spinnentierordnungen wie beispielsweise Geisselspinnen und Geisselskorpione bereitgestellt. «Die neue Datenbank bietet damit einen grossen Diversitätsgewinn und legt die Grundlage zu einer vollständigen Erfassung aller Arten der Spinnentiere», betont Harms. Zudem listet der WAC auch die fossilen Arten aus den einzelnen Spinnentierordnungen auf, so dass neben der heutigen Vielfalt auch die Diversität über die Zeit abgeschätzt werden kann.
Basierend auf einer über 80-jährigen Tradition stellt der neue WAC kuratierte Informationen kostenlos und leicht zugänglich bereit. Im Sinne einer dynamischen, interaktiven und gemeinschaftlich gepflegten Datenbank sind Rückmeldungen sowie Vorschläge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erwünscht. Kontinuierlich überprüfen Expertinnen und Experten die Informationen und aktualisieren die Einträge. Zudem gewährleistet ein wissenschaftlicher Beirat einen hohen akademischen Standard. So soll der WAC fortlaufend auf hohem Niveau weiterentwickelt werden. «Wir hoffen, dass der neue Katalog die grenzüberschreitende Forschung sowie die Verfügbarkeit wissenschaftlicher Daten und Erkenntnisse für Arachnologen in aller Welt erleichtert», betont Harms.
Im neuen Weltkatalog der Spinnentiere fliessen internationale Forschungsergebnisse aus den vergangenen Jahrhunderten zusammen. Inhaltlich ist es ein Zusammenschluss bislang getrennt gepflegter Kataloge: die des äusserst erfolgreichen World Spider Catalog, des Pseudoscorpions of the World Catalog und der Smaller Arachnid Order Catalogues. Die neue digitale Plattform bietet gebündelt alle verfügbaren taxonomischen Informationen inklusive Literatur zu acht der aktuell zwölf Spinnentierordnungen (Amblypygi, Araneae, Pseudoscorpiones, Ricinulei, Palpigradi, Schizomida, Solifugae und Uropygi). Aktuelle Zählungen von Familien, Gattungen und Arten werden zusammen mit der aktuellen Taxonomie und der kompletten Nomenklatur für jede Ordnung angegeben.
Die Geschichte dieser Kataloge reicht in die erste Hälfe des 20. Jahrhunderts zurück. Die Basis bildeten die Forscher Pierre Bonnet (University of Toulouse, Frankreich), Carl Friedrich Roewer (Überseemuseum, Bremen), und Norman Platnick (American Museum of Natural History, New York). Bonnets von 1945 bis 1961 veröffentlichte Bände geben einen detaillierten Überblick über die bis 1939 erschienene Literatur zu allen Aspekten der Spinnenbiologie. Hier knüpft Roewers Spinnenkatalog an, der das Spektrum der 1940 bis 1954 erschienenen taxonomischen Literatur zur Arachnologie abdeckt. Ab Mitte der 1980er Jahre spielte Norman I. Platnick vom American Museum of Natural History New York eine wichtige Rolle in der Fortführung und stellte seinen World Spider Catalog 2000 frei verfügbar ins damals noch neue Internet. 2014 schliesslich übernahm das Naturhistorische Museum Bern die Federführung des internationalen Spinnenkatalogs, der damals zu einer echten Datenbank verbessert und jetzt zum WAC ausgebaut wurde.
Danilo Harms: «Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, die Daten verschiedener Kataloge nun hier im WAC in aktualisierter Form für die Forschung zugänglich zu machen. Der WAC wird die arachnologische Forschung dynamisieren und insbesondere Forscherinnen und Forschern in weniger gut ausgestatteten Institutionen Zugang zu Spezialliteratur und wissenschaftlichen Daten ermöglichen. Dies ist insbesondere wichtig für Spinnenforschende in den extrem biodiversen Tropen, wo auch die meisten Arten vorkommen.»
13.12.2021